Gesetzentwurf
des Bundesministeriums Europa, Integration, Äußeres
für eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen
nachfolgende Stellungnahme abgegeben:
Plattform EduCare, Steuerteam
Krausegasse 7a/10-11
1110 Wien
Telefon/Telefax: +43 (1)7485469
E-Mail: steuerteam@plattform-educare.org
Wien, am 17. März 2015
Minoritenplatz 8
1010 Wien
ABTVIII3@bmeia.gv.at
SL Mag. Dr. Stefan STEINER Stefan
Sektion VIII-Integrationstefan.steiner@bmeia.gv.at
AL Mag.a iur. Jelena ILJIC
Abteilung VIII.3
Begutachtungsverfahren Parlament:
Betrifft: Vereinbarung
gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG
über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen
Kinderbetreuungseinrichtungen; Begutachtung
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zum Entwurf einer Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG über
die frühe sprachliche Förderung in institutionellen
Kinderbetreuungseinrichtungen, Änderung (95/ME) nehmen wir wie folgt Stellung:
Die Plattform EduCare stellt fest, dass mit diesem Vereinbarungsentwurf
weiterhin die Bildungschancen ungleich verteilt sind.
Besonders Kinder mit anderer
Herkunftssprache als Deutsch haben in unserem Bildungssystem eingeschränktere
Partizipationsmöglichkeiten. Dass die Fokussierung auf sprachliche Förderung
von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen keine umfassende Lösung im Rahmen
eines inklusiven Bildungsraums sein kann, steht außer Frage. Warum wird Sprache
zum Kriterium schlechthin für "Schulreife"? Warum wird Sprache zu einem Auslesekriterium?
Die Zielperspektive erschließt sich
aus der Idee Bildungsstandards der Sprach- und Sprechentwicklung bis zum
Schuleintritt zu erreichen (bmbf 2015). Dies gilt für Kinder, die über mangelnde
Deutschkenntnisse verfügen, insbesondere jene mit anderer Erstsprache als
Deutsch. Vor allem die vorliegende Definition des Wirkungsziels: Erwirken von
Integrationsmaßnahmen für ein gesellschaftlich vielfältiges Zusammenleben von
rechtmäßig in Österreich lebenden MigrantInnen mit der Aufnahmegesellschaft.
Dabei steht im Fokus, drei bis sechsjährigen Kindern, die über mangelnde
Deutschkenntnisse verfügen, in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen
so zu fördern, dass diese beim Eintritt in die erste Schulstufe der Volksschule
die Unterrichtssprache beherrschen.
Befremdlich mutet diese Zielperspektive
vor allem deswegen an, weil einerseits evidenzbasierte Daten vorliegen, die
darauf hinweisen, dass der Zweitspracherwerb fünf bis acht Jahre in Anspruch
nimmt. So muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass dieses Ziel für
Kinder mit anderen Herkunftssprachen und bei einem einjährigen
Kindergartenbesuch inkl. einer Sprachförderung nicht erreicht werden kann.
Zudem werden antiquierte
Schulreifemodelle tradiert, die an einem punktuellen Verfahren zur Feststellung
der Schulreife festhalten. Hervorgebracht wird das Modell einer
„Deutschreifefeststellung.“
Eine andere Perspektive könnte
eröffnet werden, wenn a) ein Rechtsanspruch auf einen früheren
Kindergartenbesuch geltend gemacht werden kann und b) das eben beschlossene
Regierungsprogramm zur erweiterten Schuleingangsphase in diesem Kontext zur
Umsetzung gelänge (Arbeitsprogramm der
österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018, Seite 40, Kapitel 03
Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur,
Frauen, Maßnahme: Das letzte (verpflichtende) Kindergartenjahr und die ersten
beiden Volksschuljahre werden als gemeinsame Schuleingangsphase aufgefasst…; https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264).
Demnach könnten Kindergarten und
Schule im Schuleingang gemeinsam ein Bildungsziel verfolgen und eine
individuelle Förderung der Sprach und Sprechentwicklung unabhängig von
Institutionen anbieten und sich erfolgreich von jeglichen Ideen einer frühen
Stigmatisierung von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen verabschieden.
Das von der Politik beschlossene
Maßnahmenpaket "Deutsch vor der Schule" eröffnet wieder einmal eine
Parallelstruktur im österreichischen Schulsystem. Zwei Optionen stehen für
Kinder mit eingeschränkten Sprach- und Sprechstandards zur „Auswahl“: Eine
Sonder-Spezial-Vorschulklasse oder eine inklusive Schuleingangsphase, die stark
auf eine Kooperation von Kindergarten und Schule baut. ExpertInnen kritisieren
diesen optionalen Rettungsversuch zu Recht. Einerseits erscheint eine
Zurückstufung aufgrund des „Herkunftsmilieus“ ethisch schwer vertretbar. Aus
pädagogischen Gründen ist eine Zurückstufung mit Gefühlen des Scheiterns
verbunden, was für die einzelnen besonders in der vulnerablen Phase des
Schuleingangs eher vermieden werden sollte. Wenn Bildungsmaßnahmen dann früher
als bislang beginnen, besteht aber auch die Anforderung die gesetzten Aktivitäten
beider Institutionen - Kindergarten und Schule – auch stärker in Verbindung zu
bringen, wodurch erst die Realisierung von anschlussfähigen Bildungsprozessen
in Aussicht gestellt werden könnte.
Kinder werden so mit Beginn des verpflichtenden Kindergartenjahres
gefördert und diese Förderung setzt sich in der Schule fort. Sollte ein
verpflichtendes Kindergartenjahr zu wenig sein, warum schließt man sich nicht
dem ExpertInnenkreis an und realisiert das vielfach geforderte zweite
Kindergartenjahr? Auf jeden Fall müsste diese Variante strukturtechnisch
gestützt werden und mehr Ressourcen sowie Rahmenbedingungen für den
Kindergarten und für die Kooperation von Kindergarten und Schule brauchen.
Zudem stellt sich die Frage, wie die
speziellen dargebrachten Forderungen zur Umsetzung kommen können, wenn vielfach
das Personal sich nicht ausreichend ausgebildet sieht und andererseits noch
kein Konzept bzw. keine Gesamtstrategie vorliegt, um das Personal entsprechend
nachzuschulen. Es wird von einer Curriculumsentwicklung gesprochen. Wir hören
von unseren Mitgliedern, dass entsprechende Curricula in den Bundesländern
bereits ausgearbeitet wurden, aber leider bislang noch nicht zum Einsatz kamen.
Aus Sicht der Plattform EduCare wird
zur vorliegenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der
Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in
institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (95/ME XXV. GP – Ministerialentwurf
– Vereinbarungstext) wie folgt Stellung genommen:
1.) Förderung
von Sprachentwicklung und nicht Deutschförderung
Die Plattform EduCare teilt die Sichtweise von Sprachwissenschaftlern, dass
es bei der Förderung von Sprachentwicklung nicht nur um Deutschförderung gehen
kann. Die Entwicklung von Sprache ist für jedes Kind eine Basisfähigkeit – in
seiner Muttersprache – in Kontext mit den Umgebungssprachen – und auch im
Begreifen und Erlernen von mehreren Sprachen. Natürlich gehört da auch die
deutsche Hochsprache dazu. Der Sprachanteil des bundesländerübergreifenden
Bildungsrahmenplans für elementare Bildungseinrichtungen unterstreicht diese
Sichtweise auch. „Um die
Bildungschancen der
Kinder zu sichern, bedeutet Sprachförderung Anregung der sprachlichen
Entwicklung aller Kinder.
Bei Kindern mit anderen Erstsprachen als Deutsch sollten idealerweise die Erst-
wie die Zweitsprachedurch entsprechend ausgebildetes pädagogisches Personal
gefördert werden.“ (S13)
Hier widerspricht sich die 15a
Vereinbarung in der derzeit vorliegenden Fassung ständig. Auf der einen Seite
wird der Sprachanteil als fachliche Basis grundgelegt und auf der anderen Seite
wird nur von Deutschförderung gesprochen.
Deswegen halten wir aus
elementarpädagogischer Sicht fest:
-
Es geht um
die Förderung von Sprachentwicklung als Ganzes. - Es geht um alle Kinder.
- Es geht um alle Sprachen.
2.) Ressourcenförderung
und keine Defizitorientiertheit
Folglich geht es auch darum, dass die
Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren in ihren Ressourcen erkannt und gestärkt
werden – ganzheitlich und umfassend. Sprachentwicklungsrelevante Bereiche sind
dabei aus elementarpädagogischer Sicht alle Bereiche, die ein Kind in seiner
Gesamtentwicklung ausmacht. Ein Kind ist in seiner Entwicklung nicht teil- und
trennbar. Alle im alltäglichen Tun relevanten Bereiche sind für die gute
Entwicklung von Sprache nützlich und relevant. Egal ob es um Musik, Bewegung,
kreatives Tun oder einfach nur „Chillen“ geht – überall findet Sprache statt
und überall ist das Kind in seiner sprachlichen Entwicklung zu sehen und zu
begleiten.
Aus unserer Sicht macht es deshalb
überhaupt keinen Sinn, zu Beginn einer Entwicklungsbegleitung einen Sprachförderbedarf
feststellen zu müssen, damit die Begleitung intensiv weiterverfolgt werden
darf. Außerdem sind diese defizitorientierten Feststellungsverfahren in
Fachkreisen hochgradig umstritten.
Deswegen halten wir aus
elementarpädagogischer Sicht fest:
-
Alle Kinder
sollen in ihrer Sprachentwicklung unterstützt werden – in allen alltäglichen
Lebensbereichen- Die Feststellung von „Sprachförderbedarf“ ist ersatzlos zu streichen.
- Förderung von Sprachentwicklung hat im Alltag zu geschehen – von allen pädagogischen Fachkräften – im Gruppenalltag integriert. „Spezialeinsätze“ von „Spezialkräften“ in räumlich separierten Kleingruppen sind maximal willkommene Ergänzungen zum alltäglichen pädagogischen Angebot in der Gruppe.
3.) Aus-,
Fort- und Weiterbildung als wichtige Qualitätssäule
Es ist davon auszugehen – und
Rückmeldungen von Pädagoginnen aus der Praxis bestätigen das – dass die
Grundausbildung in den BAKIP‘s im Bereich der Förderung von Sprachentwicklung
nur zum Teil ausreichend war, um die nun gestellten Aufgaben in der täglichen
Arbeit zu erfüllen. Aus diesem Grund ist es unterstützenwert, dass die
vorliegende 15a-Vereinbarung auch diesen Bereich erwähnt. Allerdings scheint es
uns bei weitem nicht ausreichend hier eine Empfehlung auszusprechen.
Es ist aus unserer Sicht dringend
notwendig,
-
dass
großflächig und garantiert Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Themenfeldern
„Sprachentwicklung“, „Sprachentwicklung unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit“,
„Elternkooperation – Elternbildung“, „Interkulturalität“,
„Sprachentwicklungsbeobachtung“ und „Dokumentation und Evaluation in täglichen
Tun in Kindergruppen“ passiert.
-
Damit diese
Nachschulung wirklich als Garantieleistung angesehen werden kann, muss
kurzfristig in jeder Kindereinrichtung mindestens eine Person
zusatzqualifiziert sein und mittelfristig in jeder Kindergruppe eine
pädagogische Fachkraft den neuesten Stand des Wissens wirklich gelernt haben.
4.) Garantierter
Einsatz des Sprachanteiles in allen Kiga-Gruppen
Die Plattform EduCare unterstützt die
inhaltliche Vorgabe, dass der Sprachanteil des bundesländerübergreifenden
Bildungsrahmenplans für elementare Bildungseinrichtungen als fachliche
Grundlage angeführt wird. Unserer Wahrnehmung nach ist dieser allerdings in den
wenigsten Kindergartengruppen in ganz Österreich tatsächlich in Anwendung.
Deshalb möchten wir betonen:
-
dass der
Sprachanteil des Bildungsrahmenplanes in allen Kindergartengruppen tatsächlich
in das alltägliche Tun einfließen muss und dies auch in der Dokumentation der
Angebote belegt werden kann.
-
dass die
zuständigen Stellen in den Bundesländern und/oder die Trägerverantwortlichen
dafür Sorge zu tragen haben, dass in jeder Kindergartengruppe dieser
Sprachanteil tatsächlich vorliegt. (unseres Wissens nach hat das BMBF selber
gar keine Exemplare mehr, die sie ausgeben können)
-
Im Geiste des hier grundgelegten Sprachanteils darf die
Förderung des Entwicklungsstandes nicht mit 25% Geldförderung gedeckelt
werden – alltagsintegrierte Förderung
der Sprachentwicklung impliziert alle Bereiche des Alltags (Bewegung, Musik,
Interaktion, Kreatives Tun, etc.) und muss dementsprechend auch in den
Aufwendungen mitgefördert werden.
5.) Evaluierung
und Controlling vor allem auch aus elementarpädagogischer und fachlicher Sicht
Die geplante Evaluierung und das
Controlling durch den Österreichischen Integrationsfond (ÖIF) müssen auch aus
elementarpädagogischer Sicht fachlich und methodisch sichergestellt sein. Es
kann nicht sein, dass diese wichtigen Wirkungsbeobachtungen nur aus
juristischer und betriebswirtschaftlicher Sicht – unter Verwendung von
zusammengefassten Kennzahlen, (der Qualität der Erfassung kaum überprüfbar
scheint) – stattfinden.
Wir halten aus
elementarpädagogischer Sicht fest:
-
Dem ÖIF sind
für die Dauer des ganzen Förderzeitraumes und der danach folgenden
Auswertungszeit elementarpädagogisch geschulte Personen zur Verfügung zu
stellen, die aus sprachwissenschaftlicher und elementarpädagogischer Sicht, die
fachlichen und methodischen Grundlagen evaluieren und kontrollieren können.
Mit
freundlichen Grüßen

Für das Steuerteam:
Mag.a Dr.in Heidemarie Lex-NalisSprecherin
Telefon: +43 (664) 4634580

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