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Dienstag, 17. März 2015

Stellungnahme der Plattform EduCare zum Entwurf einer §15a-Vereinbarung über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

Die Plattform EduCare hat zum

Gesetzentwurf

des Bundesministeriums Europa, Integration, Äußeres

für eine Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen

 
nachfolgende Stellungnahme abgegeben:

 






Plattform EduCare, Steuerteam
Krausegasse 7a/10-11
1110 Wien
Telefon/Telefax: +43 (1)7485469
Internet: Homepage
 
Wien, am 17. März 2015
 
Bundesministerium für Europa, Integration, Äußeres
Minoritenplatz 8
1010 Wien
ABTVIII3@bmeia.gv.at

SL Mag. Dr. Stefan STEINER Stefan
Sektion VIII-Integration
stefan.steiner@bmeia.gv.at
 
AL Mag.a iur. Jelena ILJIC
Abteilung VIII.3
 
Begutachtungsverfahren Parlament:

Betrifft: Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen; Begutachtung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zum Entwurf einer Vereinbarung gem. Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen, Änderung (95/ME) nehmen wir wie folgt Stellung:

Die Plattform EduCare stellt fest, dass mit diesem Vereinbarungsentwurf weiterhin die Bildungschancen ungleich verteilt sind.

Besonders Kinder mit anderer Herkunftssprache als Deutsch haben in unserem Bildungssystem eingeschränktere Partizipationsmöglichkeiten. Dass die Fokussierung auf sprachliche Förderung von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen keine umfassende Lösung im Rahmen eines inklusiven Bildungsraums sein kann, steht außer Frage. Warum wird Sprache zum Kriterium schlechthin für "Schulreife"?  Warum wird Sprache zu einem Auslesekriterium?

Die Zielperspektive erschließt sich aus der Idee Bildungsstandards der Sprach- und Sprechentwicklung bis zum Schuleintritt zu erreichen (bmbf 2015). Dies gilt für Kinder, die über mangelnde Deutschkenntnisse verfügen, insbesondere jene mit anderer Erstsprache als Deutsch. Vor allem die vorliegende Definition des Wirkungsziels: Erwirken von Integrationsmaßnahmen für ein gesellschaftlich vielfältiges Zusammenleben von rechtmäßig in Österreich lebenden MigrantInnen mit der Aufnahmegesellschaft. Dabei steht im Fokus, drei bis sechsjährigen Kindern, die über mangelnde Deutschkenntnisse verfügen, in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen so zu fördern, dass diese beim Eintritt in die erste Schulstufe der Volksschule die Unterrichtssprache beherrschen.

Befremdlich mutet diese Zielperspektive vor allem deswegen an, weil einerseits evidenzbasierte Daten vorliegen, die darauf hinweisen, dass der Zweitspracherwerb fünf bis acht Jahre in Anspruch nimmt. So muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass dieses Ziel für Kinder mit anderen Herkunftssprachen und bei einem einjährigen Kindergartenbesuch inkl. einer Sprachförderung nicht erreicht werden kann. 

Zudem werden antiquierte Schulreifemodelle tradiert, die an einem punktuellen Verfahren zur Feststellung der Schulreife festhalten. Hervorgebracht wird das Modell einer „Deutschreifefeststellung.“

Eine andere Perspektive könnte eröffnet werden, wenn a) ein Rechtsanspruch auf einen früheren Kindergartenbesuch geltend gemacht werden kann und b) das eben beschlossene Regierungsprogramm zur erweiterten Schuleingangsphase in diesem Kontext zur Umsetzung gelänge (Arbeitsprogramm der  österreichischen Bundesregierung 2013 – 2018, Seite 40, Kapitel 03 Bildung, Wissenschaft, Kunst und  Kultur, Frauen, Maßnahme: Das letzte (verpflichtende) Kindergartenjahr und die ersten beiden Volksschuljahre werden als gemeinsame Schuleingangsphase aufgefasst…; https://www.bka.gv.at/DocView.axd?CobId=53264).

Demnach könnten Kindergarten und Schule im Schuleingang gemeinsam ein Bildungsziel verfolgen und eine individuelle Förderung der Sprach und Sprechentwicklung unabhängig von Institutionen anbieten und sich erfolgreich von jeglichen Ideen einer frühen Stigmatisierung von Kindern mit mangelnden Deutschkenntnissen verabschieden.

Das von der Politik beschlossene Maßnahmenpaket "Deutsch vor der Schule" eröffnet wieder einmal eine Parallelstruktur im österreichischen Schulsystem. Zwei Optionen stehen für Kinder mit eingeschränkten Sprach- und Sprechstandards zur „Auswahl“: Eine Sonder-Spezial-Vorschulklasse oder eine inklusive Schuleingangsphase, die stark auf eine Kooperation von Kindergarten und Schule baut. ExpertInnen kritisieren diesen optionalen Rettungsversuch zu Recht. Einerseits erscheint eine Zurückstufung aufgrund des „Herkunftsmilieus“ ethisch schwer vertretbar. Aus pädagogischen Gründen ist eine Zurückstufung mit Gefühlen des Scheiterns verbunden, was für die einzelnen besonders in der vulnerablen Phase des Schuleingangs eher vermieden werden sollte. Wenn Bildungsmaßnahmen dann früher als bislang beginnen, besteht aber auch die Anforderung die gesetzten Aktivitäten beider Institutionen - Kindergarten und Schule – auch stärker in Verbindung zu bringen, wodurch erst die Realisierung von anschlussfähigen Bildungsprozessen in Aussicht gestellt werden könnte.  Kinder werden so mit Beginn des verpflichtenden Kindergartenjahres gefördert und diese Förderung setzt sich in der Schule fort. Sollte ein verpflichtendes Kindergartenjahr zu wenig sein, warum schließt man sich nicht dem ExpertInnenkreis an und realisiert das vielfach geforderte zweite Kindergartenjahr? Auf jeden Fall müsste diese Variante strukturtechnisch gestützt werden und mehr Ressourcen sowie Rahmenbedingungen für den Kindergarten und für die Kooperation von Kindergarten und Schule brauchen.  

Zudem stellt sich die Frage, wie die speziellen dargebrachten Forderungen zur Umsetzung kommen können, wenn vielfach das Personal sich nicht ausreichend ausgebildet sieht und andererseits noch kein Konzept bzw. keine Gesamtstrategie vorliegt, um das Personal entsprechend nachzuschulen. Es wird von einer Curriculumsentwicklung gesprochen. Wir hören von unseren Mitgliedern, dass entsprechende Curricula in den Bundesländern bereits ausgearbeitet wurden, aber leider bislang noch nicht zum Einsatz kamen.

Aus Sicht der Plattform EduCare wird zur vorliegenden Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über eine Änderung der Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG über die frühe sprachliche Förderung in institutionellen Kinderbetreuungseinrichtungen (95/ME XXV. GP – Ministerialentwurf – Vereinbarungstext) wie folgt Stellung genommen:

1.)    Förderung von Sprachentwicklung und nicht Deutschförderung

Die Plattform EduCare teilt die Sichtweise von Sprachwissenschaftlern, dass es bei der Förderung von Sprachentwicklung nicht nur um Deutschförderung gehen kann. Die Entwicklung von Sprache ist für jedes Kind eine Basisfähigkeit – in seiner Muttersprache – in Kontext mit den Umgebungssprachen – und auch im Begreifen und Erlernen von mehreren Sprachen. Natürlich gehört da auch die deutsche Hochsprache dazu. Der Sprachanteil des bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplans für elementare Bildungseinrichtungen unterstreicht diese Sichtweise auch. „Um die Bildungschancen der Kinder zu sichern, bedeutet Sprachförderung Anregung der sprachlichen Entwicklung aller Kinder. Bei Kindern mit anderen Erstsprachen als Deutsch sollten idealerweise die Erst- wie die Zweitsprachedurch entsprechend ausgebildetes pädagogisches Personal gefördert werden.“ (S13)

Hier widerspricht sich die 15a Vereinbarung in der derzeit vorliegenden Fassung ständig. Auf der einen Seite wird der Sprachanteil als fachliche Basis grundgelegt und auf der anderen Seite wird nur von Deutschförderung gesprochen.

Deswegen halten wir aus elementarpädagogischer Sicht fest:
-          Es geht um die Förderung von Sprachentwicklung als Ganzes.
-          Es geht um alle Kinder.
-          Es geht um alle Sprachen.

2.)    Ressourcenförderung und keine Defizitorientiertheit

Folglich geht es auch darum, dass die Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren in ihren Ressourcen erkannt und gestärkt werden – ganzheitlich und umfassend. Sprachentwicklungsrelevante Bereiche sind dabei aus elementarpädagogischer Sicht alle Bereiche, die ein Kind in seiner Gesamtentwicklung ausmacht. Ein Kind ist in seiner Entwicklung nicht teil- und trennbar. Alle im alltäglichen Tun relevanten Bereiche sind für die gute Entwicklung von Sprache nützlich und relevant. Egal ob es um Musik, Bewegung, kreatives Tun oder einfach nur „Chillen“ geht – überall findet Sprache statt und überall ist das Kind in seiner sprachlichen Entwicklung zu sehen und zu begleiten.

Aus unserer Sicht macht es deshalb überhaupt keinen Sinn, zu Beginn einer Entwicklungsbegleitung einen Sprachförderbedarf feststellen zu müssen, damit die Begleitung intensiv weiterverfolgt werden darf. Außerdem sind diese defizitorientierten Feststellungsverfahren in Fachkreisen hochgradig umstritten.

Deswegen halten wir aus elementarpädagogischer Sicht fest:
-          Alle Kinder sollen in ihrer Sprachentwicklung unterstützt werden – in allen alltäglichen Lebensbereichen
-          Die Feststellung von „Sprachförderbedarf“ ist ersatzlos zu streichen.
-          Förderung von Sprachentwicklung hat im Alltag zu geschehen – von allen pädagogischen Fachkräften – im Gruppenalltag integriert. „Spezialeinsätze“ von „Spezialkräften“ in räumlich separierten Kleingruppen sind maximal willkommene Ergänzungen zum alltäglichen pädagogischen Angebot in der Gruppe.

3.)    Aus-, Fort- und Weiterbildung als wichtige Qualitätssäule

Es ist davon auszugehen – und Rückmeldungen von Pädagoginnen aus der Praxis bestätigen das – dass die Grundausbildung in den BAKIP‘s im Bereich der Förderung von Sprachentwicklung nur zum Teil ausreichend war, um die nun gestellten Aufgaben in der täglichen Arbeit zu erfüllen. Aus diesem Grund ist es unterstützenwert, dass die vorliegende 15a-Vereinbarung auch diesen Bereich erwähnt. Allerdings scheint es uns bei weitem nicht ausreichend hier eine Empfehlung auszusprechen.

Es ist aus unserer Sicht dringend notwendig,

-          dass großflächig und garantiert Aus-, Fort- und Weiterbildung in den Themenfeldern „Sprachentwicklung“, „Sprachentwicklung unter dem Aspekt der Mehrsprachigkeit“, „Elternkooperation – Elternbildung“, „Interkulturalität“, „Sprachentwicklungsbeobachtung“ und „Dokumentation und Evaluation in täglichen Tun in Kindergruppen“ passiert.

-          Damit diese Nachschulung wirklich als Garantieleistung angesehen werden kann, muss kurzfristig in jeder Kindereinrichtung mindestens eine Person zusatzqualifiziert sein und mittelfristig in jeder Kindergruppe eine pädagogische Fachkraft den neuesten Stand des Wissens wirklich gelernt haben.

4.)    Garantierter Einsatz des Sprachanteiles in allen Kiga-Gruppen

Die Plattform EduCare unterstützt die inhaltliche Vorgabe, dass der Sprachanteil des bundesländerübergreifenden Bildungsrahmenplans für elementare Bildungseinrichtungen als fachliche Grundlage angeführt wird. Unserer Wahrnehmung nach ist dieser allerdings in den wenigsten Kindergartengruppen in ganz Österreich tatsächlich in Anwendung.

Deshalb möchten wir betonen:

-          dass der Sprachanteil des Bildungsrahmenplanes in allen Kindergartengruppen tatsächlich in das alltägliche Tun einfließen muss und dies auch in der Dokumentation der Angebote belegt werden kann.

-          dass die zuständigen Stellen in den Bundesländern und/oder die Trägerverantwortlichen dafür Sorge zu tragen haben, dass in jeder Kindergartengruppe dieser Sprachanteil tatsächlich vorliegt. (unseres Wissens nach hat das BMBF selber gar keine Exemplare mehr, die sie ausgeben können)

-          Im Geiste des hier grundgelegten Sprachanteils darf die Förderung des Entwicklungsstandes nicht mit 25% Geldförderung gedeckelt werden  – alltagsintegrierte Förderung der Sprachentwicklung impliziert alle Bereiche des Alltags (Bewegung, Musik, Interaktion, Kreatives Tun, etc.) und muss dementsprechend auch in den Aufwendungen mitgefördert werden.

5.)    Evaluierung und Controlling vor allem auch aus elementarpädagogischer und fachlicher Sicht

Die geplante Evaluierung und das Controlling durch den Österreichischen Integrationsfond (ÖIF) müssen auch aus elementarpädagogischer Sicht fachlich und methodisch sichergestellt sein. Es kann nicht sein, dass diese wichtigen Wirkungsbeobachtungen nur aus juristischer und betriebswirtschaftlicher Sicht – unter Verwendung von zusammengefassten Kennzahlen, (der Qualität der Erfassung kaum überprüfbar scheint) – stattfinden.

Wir halten aus elementarpädagogischer Sicht fest:

-          Dem ÖIF sind für die Dauer des ganzen Förderzeitraumes und der danach folgenden Auswertungszeit elementarpädagogisch geschulte Personen zur Verfügung zu stellen, die aus sprachwissenschaftlicher und elementarpädagogischer Sicht, die fachlichen und methodischen Grundlagen evaluieren und kontrollieren können.

Mit freundlichen Grüßen
 

 

 
 
Für das Steuerteam:
Mag.a Dr.in Heidemarie Lex-Nalis
Sprecherin

Telefon: +43 (664) 4634580

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