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Mittwoch, 10. Juni 2015

Wie kann die Verpflichtung zu einem zweiten Kindergartenjahr gerechtfertigt werden, wenn auf der anderen Seite keine verbindliche Qualität in den Kindergärten bereitgestellt werden kann?

Forderung nach einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr.


Auch Vierjährige sollen künftig verpflichtend in den Kindergarten müssen - und zwar gratis. Damit sollen Sprachdefizite möglichst früh ausgemerzt werden, sagte ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin im APA-Gespräch. SPÖ-Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek unterstützt dieses Vorhaben in einer Aussendung.

Die Plattform EduCare verfolgt mit Interesse die neu aufgeflammte Forderung nach einem 2. Verpflichtenden Kindergartenjahr.
Wirklich neu ist lediglich, dass die Forderung dieses Mal von ÖVP-Familienministerin Karmasin kommt.

Gar nicht neu hingegen ist, dass die Verpflichtung, den Kindergarten bereits mit 4 Jahren zu besuchen, lediglich jene Kinder betreffen soll, die „Sprachförderbedarf“ haben.

Dabei hätte die Forderung nach einem beitragsfreien Kindergarten für ALLE  Vierjährigen einen wirklich entscheidenden Vorteil, nämlich, dass alle Kinder gemeinsam in einer Gruppe positive soziale und dadurch auch sprachliche Erfahrungen sammeln. 

Welche Garantie-Leistung ist also mit einem oder einem zweiten Kindergarten-Pflichtjahr verbunden?

Dass sprachliche Förderung im vorgesehenen Umfang von Kindern mit geringen Deutschkenntnissen sich positiv auf einen gelungenen Start in der Schule auswirkt, ist bislang nicht erwiesen.
Durch die Aufsplitterung der Zuständigkeiten im elementaren Bildungsbereich auf 9 Bundesländer  gibt es derzeit in den verschiedenen Bundesländern völlig verschiedene Modelle der Sprachförderung und unseres Wissens wurde keines evaluiert.

Es gibt trotz vieler Ankündigungen seitens der verantwortlichen PolitikerInnen nach wie vor keine österreichweit allgemeinen und vergleichbaren Standards in der Vorbereitung (Fort- und Weiterbildung der Pädagoginnen), in der Durchführung und in der Wirkungsbeobachtung der im Kindergarten gesetzten Maßnahmen.

Welche Garantie-Leistung ist also mit einem oder einem zweiten Kindergarten-Pflichtjahr verbunden?

Werden sich „Kindergarten-kritische“ Eltern verpflichten lassen?

Vergleicht man die Zahlen der Statistik Austria, so ist festzustellen, dass die Betreuungsquote der 5jährigen im Zeitraum 2009 bis 2012 in allen Bundesländern gestiegen oder gleichgeblieben ist. Ein vergleichbarer Effekt ist im selben Zeitraum in sieben von neun Bundesländern auch bei den 4jährigen (ohne Kindergartenpflicht) geschehen.

Durchschnittlich besuchen derzeit 94% aller Vierjährigen einen Kindergarten.
Lässt diese Zahl nicht den Schluss zu, dass der Zuwachs an betreuten Kindern im Kindergarten in erster Linie durch die Schaffung von neuen Kindergartenplätzen erfolgt ist und dass der Kindergarten für die überwiegende Anzahl der Eltern längst zum fixen Bestandteil in der Aufteilung von Bildungs- und Betreuungsaufgaben geworden ist?

Es ist jedenfalls in Zweifel zu ziehen, ob jene Eltern, die für ihre Kinder einen Kindergartenbesuch bisher nicht wollten, mit Verpflichtung und Androhung von Verwaltungsstrafen davon zu überzeugen sind, ihre Kinder fortan einem Kindergarten anzuvertrauen.
Besuche bei diesen Familien und Gespräche zwischen PädagogInnen und Eltern auf Augenhöhe wären sicher zielführender.

Warum sorgt Frau BM Karmasin nicht dafür, dass ein bundesweit gültiges und internationalen Qualitätsstandards entsprechendes Rahmengesetz für elementare Bildungseinrichtungen erlassen wird? Wie kann die Verpflichtung zu einem zweiten Kindergartenjahr gerechtfertigt werden, wenn auf der anderen Seite keine verbindliche Qualität in den Kindergärten bereitgestellt werden kann?

Der Kindergarten übernimmt seit einigen Jahren mehr oder weniger selbstverständlich die riesige Verantwortung, Kinder für die weitere Lebens- und Schullaufbahn fit zu machen. Der BildungsRahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen sieht vor, dass jedes Kind das Recht auf individuelle Förderung hat. Die dafür notwendigen Verbesserungen der organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen lassen jedoch seit Jahren auf sich warten.


Die Plattform EduCare weist seit Jahren darauf hin, dass die Rahmenbedingungen in den Kindergärten zu vereinheitlichen und zu verbessern sind. Die Gruppengröße muss reduziert werden, es muss doppelt so viel Personal eingestellt werden und die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen muss verbessert werden...
Nur durch eine bundesweite Strukturreformen im Kindergarten können auch die erhöhten Anforderungen im Arbeitsalltag, die mit der Einführung eines zweiten verpflichtenden Kindergartenjahres einhergehen, anforderungsgerecht umgesetzt werden – die entsprechenden Vorschläge dazu finden sich unter http://www.plattform-educare.org/2013/BRG%20Final%202013-07-13.pdf .

Siehe dazu:

Für Nachfragen wenden Sie sich bitte an

Mag.a Dr.in Heidemarie Lex-Nalis
Telefon: +43 (664) 4634580

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