Forderung
nach einem zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr.
Auch
Vierjährige sollen künftig verpflichtend in den Kindergarten müssen - und zwar
gratis. Damit sollen Sprachdefizite möglichst früh ausgemerzt werden, sagte
ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin im APA-Gespräch. SPÖ-Bildungsministerin
Gabriele Heinisch-Hosek unterstützt dieses Vorhaben in einer Aussendung.
Die Plattform EduCare verfolgt mit Interesse die neu
aufgeflammte Forderung nach einem 2. Verpflichtenden Kindergartenjahr.
Wirklich neu ist
lediglich, dass die Forderung dieses Mal von ÖVP-Familienministerin Karmasin
kommt.
Gar nicht neu hingegen
ist, dass die Verpflichtung, den Kindergarten bereits mit 4 Jahren zu besuchen,
lediglich jene Kinder betreffen soll, die „Sprachförderbedarf“ haben.
Dabei hätte die Forderung nach einem beitragsfreien
Kindergarten für ALLE Vierjährigen einen wirklich entscheidenden Vorteil,
nämlich, dass alle Kinder gemeinsam in einer Gruppe positive soziale und
dadurch auch sprachliche Erfahrungen sammeln.
Welche Garantie-Leistung ist also mit einem oder einem
zweiten Kindergarten-Pflichtjahr verbunden?
Dass sprachliche Förderung im vorgesehenen Umfang von
Kindern mit geringen Deutschkenntnissen sich positiv auf einen gelungenen Start
in der Schule auswirkt, ist bislang nicht erwiesen.
Durch die Aufsplitterung der Zuständigkeiten im
elementaren Bildungsbereich auf 9 Bundesländer gibt es derzeit in den
verschiedenen Bundesländern völlig verschiedene Modelle der Sprachförderung und
unseres Wissens wurde keines evaluiert.
Es gibt trotz vieler Ankündigungen seitens der
verantwortlichen PolitikerInnen nach wie vor keine österreichweit allgemeinen
und vergleichbaren Standards in der Vorbereitung (Fort- und Weiterbildung der
Pädagoginnen), in der Durchführung und in der Wirkungsbeobachtung der im
Kindergarten gesetzten Maßnahmen.
Welche Garantie-Leistung ist also mit einem oder einem
zweiten Kindergarten-Pflichtjahr verbunden?
Werden sich
„Kindergarten-kritische“ Eltern verpflichten lassen?
Vergleicht man die Zahlen der
Statistik Austria, so ist festzustellen, dass die Betreuungsquote der 5jährigen
im Zeitraum 2009 bis 2012 in allen Bundesländern gestiegen oder gleichgeblieben
ist. Ein vergleichbarer Effekt ist im selben Zeitraum in sieben von neun
Bundesländern auch bei den 4jährigen (ohne Kindergartenpflicht) geschehen.
Durchschnittlich besuchen
derzeit 94% aller Vierjährigen einen Kindergarten.
Lässt diese Zahl nicht den
Schluss zu, dass der Zuwachs an betreuten Kindern im Kindergarten in erster
Linie durch die Schaffung von neuen Kindergartenplätzen erfolgt ist und dass
der Kindergarten für die überwiegende Anzahl der Eltern längst zum fixen
Bestandteil in der Aufteilung von Bildungs- und Betreuungsaufgaben geworden
ist?
Es ist jedenfalls in Zweifel
zu ziehen, ob jene Eltern, die für ihre Kinder einen Kindergartenbesuch bisher
nicht wollten, mit Verpflichtung und Androhung von Verwaltungsstrafen davon zu
überzeugen sind, ihre Kinder fortan einem Kindergarten anzuvertrauen.
Besuche bei diesen Familien
und Gespräche zwischen PädagogInnen und Eltern auf Augenhöhe wären sicher
zielführender.
Warum sorgt Frau BM
Karmasin nicht dafür, dass ein bundesweit gültiges und internationalen
Qualitätsstandards entsprechendes Rahmengesetz für elementare
Bildungseinrichtungen erlassen wird? Wie kann die Verpflichtung zu einem
zweiten Kindergartenjahr gerechtfertigt werden, wenn auf der anderen Seite
keine verbindliche Qualität in den Kindergärten bereitgestellt werden kann?
Der Kindergarten übernimmt
seit einigen Jahren mehr oder weniger selbstverständlich die riesige
Verantwortung, Kinder für die weitere Lebens- und Schullaufbahn fit zu machen.
Der BildungsRahmenplan für elementare Bildungseinrichtungen sieht vor, dass jedes
Kind das Recht auf individuelle Förderung hat. Die dafür notwendigen
Verbesserungen der organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen lassen
jedoch seit Jahren auf sich warten.
Die Plattform EduCare weist seit Jahren darauf hin, dass die Rahmenbedingungen in den Kindergärten zu vereinheitlichen und zu verbessern sind. Die Gruppengröße muss reduziert werden, es muss doppelt so viel Personal eingestellt werden und die Aus- und Weiterbildung der PädagogInnen muss verbessert werden...
Nur durch eine bundesweite
Strukturreformen im Kindergarten können auch die erhöhten Anforderungen im
Arbeitsalltag, die mit der Einführung eines zweiten verpflichtenden
Kindergartenjahres einhergehen, anforderungsgerecht umgesetzt werden – die
entsprechenden Vorschläge dazu finden sich unter http://www.plattform-educare.org/2013/BRG%20Final%202013-07-13.pdf
.
Siehe dazu:
- Kindergartenpflicht
für Vierjährige soll kommen - http://orf.at/m/stories/2282633/
- Grüne begrüßen zweites
kostenloses Kindergartenjahr - http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150608_OTS0090/gruene-begruessen-zweites-kostenloses-kindergartenjahr
- FPÖ–Kitzmüller:
Vorschlag Gratis-Kindergartenjahr für 4-Jährige ist grundsätzlich zu
unterstützen - http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150607_OTS0026/fpoekitzmueller-vorschlag-gratis-kindergartenjahr-fuer-4-jaehrige-ist-grundsaetzlich-zu-unterstuetzen
- Stronach/Steinbichler:
Kinderbetreuung innerhalb familiärer Strukturen aufwerten - http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150607_OTS0037/stronachsteinbichler-kinderbetreuung-innerhalb-familiaerer-strukturen-aufwerten
- Heinisch-Hosek
unterstützt längere Kindergartenpflicht, Der von Karmasin geplante
Gratiskindergarten für Vierjährige schaffe "Chancengleichheit". http://kurier.at/politik/inland/heinisch-hosek-unterstuetzt-laengere-kindergartenpflicht/134.801.574
- St. Nikolausstiftung:
2. verpflichtendes Kindergartenjahr sinnvoll - ABER: Verbesserung der
Rahmenbedingungen in Kindergärten muss Hand in Hand gehen http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150609_OTS0005?utm_source=2015-06-09&utm_medium=email&utm_content=html&utm_campaign=mailaboeinzel
Für Nachfragen wenden Sie sich bitte an
Telefon: +43 (664) 4634580

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