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Dienstag, 25. August 2015

Schreiben der Plattform EduCare an die Mitglieder des Bildungsausschusses der Österreichischen Bundesregierung



Elementarpädagogische Vorschläge an den Bildungsausschuss

Sehr geehrte Damen und Herren des Bildungsausschusses der Österreichischen Bundesregierung!

Die Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Bildungsreform tagte am 22. Jänner 2015 zum ersten Mal. Die Plattform EduCare  hat für diese Tagung das tieferstehende Schreiben an die damaligen Mitglieder der Arbeitsgruppe gesandt, das wir uns – in Ihrer geänderten Zusammensetzung – neuerlich zur Kenntnis zu bringen erlauben.
Wir hoffen sehr, dass bei der Präsentation der ersten Ergebnisse am 17. November 2015 auch die Forderungen der organisierten elementarpädagogischen Community mit einfließen.

Seit Jahren erleben wir, dass der elementare Bildungsbereich zwar in diversen Reden und auch in Positionspapieren von allen Parteien als erste und damit äußerst wichtige Bildungseinrichtung dargestellt wird, aber die notwendigen Reformen, um den Kindergarten tatsächlich als gleichwertige Bildungseinrichtung zu etablieren, bisher lediglich in Teilbereichen erfolgt sind.

Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen die Positionen der organisierten elementarpädagogischen Community in Erinnerung rufen:

Ø  Wir begrüßen, dass die Regierung in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen hat, zusätzliche Plätze zu schaffen – vor allem für die Unter-Dreijährigen.

Wesentliche Voraussetzung dafür, dass jedes Kind die Chance bekommt, elementare Bildungsangebote in Anspruch nehmen zu können, ist eine ausreichende Anzahl von qualitativ hochwertigen Kindergartenplätzen. Die Qualität muss  entsprechend  internationalen Empfehlungen im Kontext
·         Betreuungschlüssel,
·         Gruppengrößen,
·         pädagogischen Konzepten, sowie der
·         Aus- und Weiterbildung von PädagogInnen und Zusatzkräften  definiert werden.

       Besonderes Augenmerk ist dabei auf die
·         speziellen Bedürfnisse von Kindern mit diagnostiziertem erhöhtem Förderbedarf zu richten. Die erforderlichen Rahmenbedingungen müssen in Zusammenarbeit mit einem ExpertInnenteam  (z.B. InklusionsberaterInnen) eingerichtet werden und  individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen sind für jedes Kind – je nach individuellem Bedarf – bereitzustellen. Der Einsatz von speziell ausgebildeten ElementarpädagogInnen muss gesichert sein.

Für wenig privilegierte Familien soll der
·         kostenfreie Besuch in allen elementaren Bildungseinrichtungen (0-6 Jahren) in Aussicht gestellt werden, um kompensatorische Bildungsarbeit leisten zu können.

·         Mittelfristig anzustreben ist das „Recht auf einen Kindergartenplatz“.

Ø  Die Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres war ein wichtiger Schritt,  weil der Kindergarten damit deutlicher als vorher als Bildungseinrichtung wahrgenommen wird.

Wir sehen allerdings die Gefahr, dass die Politik mit diesem Schritt zwar bereit war, das letzte Kindergartenjahr als Bildungsjahr anzuerkennen – dass die Zeit, die ein Kind davor im Kindergarten verbringt, jedoch weiterhin als Betreuungszeit gesehen wird.

Ø  Durch die Einführung des bundesweit verpflichtenden BildungsRahmenPlanes für elementare Bildungseinrichtungen hat das Bildungsministerium begonnen, sich „halbherzig“ für den elementaren Bildungsbereich zuständig zu fühlen.

Die Umsetzung bleibt den Bundesländern bzw. den Kindergarten-Erhaltern überlassen und oftmals scheitert diese an den unzureichenden organisatorischen Rahmenbedingungen, fehlenden gesetzlichen Grundlagen und an der nicht adäquaten Aus-, Fort- und Weiterbildung der PädagogInnen.

Ø  Die Einführung der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung und Sprachförderung im Kindergarten könnten als weitere Signale der Aufwertung des elementaren Bildungsbereiches gesehen werden.

Auch das können wir nicht ganz so sehen: dadurch, dass seitens der Politik immer wieder gefordert wird, dass im Kindergarten vor allem Sprachförderung für Kinder mit einer anderen Muttersprache durchgeführt werden soll, wird der Kindergarten zu einer „Zubringer-Einrichtung“ für die Schule degradiert.

Zudem wird durch diese Forderung der Eindruck vermittelt, dass das „Erlernen“ der deutschen Sprache in einem Jahr Erfolgsgarantie für einen geglückten Schulstart ist. Elementarpädagogische Bildungstheorien gehen hingegen davon aus, dass der Erwerb einer Zweitsprache in der Frühen Kindheit nicht losgelöst vom Alltag stattfinden sollte und im Alter von 2- 4 Jahren am leichtesten fällt. 
Abgesehen davon entspricht  diese Reduktion auf die Sprache nicht  der Intention des bundesweit gültigen „BildungsRahmenPlanes für elementare Bildungseinrichtungen“, indem die Sprachförderung lediglich ein Teilbereich von insgesamt 6 Bildungsbereichen ist.
Unsere Forderungen an die Politik kurz zusammengefasst:

1.      Der Kindergarten ist eine elementare Bildungseinrichtung für alle Kinder von 0-6 Jahren und muss als eigenständige und gleichwertige Bildungseinrichtung im Kanon aller Bildungseinrichtungen etabliert werden.

2.      Kindergarten-/ElementarpädagogInnen sind ExpertInnen für diese Altersgruppe und müssen wie in allen anderen europäischen Staaten auf tertiärem Niveau ausgebildet werden.

3.      Die Pädagogischen Hochschulen oder andere tertiäre Einrichtungen müssen den Auftrag bekommen, grundständige Bachelor-Ausbildungen für Elementarpädagogik anzubieten. Die finanziellen Mittel dafür müssen vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Es reicht nicht aus, dass die Elementarpädagogik zukünftig als Schwerpunkt in der Ausbildung von Primarschullehrkräften gewählt werden darf.

4.      Als Übergangslösung wäre vorstellbar, dass im ersten Schritt die im Beruf stehenden LeiterInnen berufsbegleitend ein Bachelor-Studium absolvieren müssen. Parallel  dazu sollten die BAKIP-Kollegs und die Ausbildung zur SonderkindergartenpädagogIn schrittweise in die tertiären Einrichtungen eingegliedert werden.

5.      Lehrkräfte für den Didaktik/Praxis-Unterricht an der BAKIP müssen akademisch ausgebildet werden.

6.      Die BAKIP, bisher „Anstalt der Lehrer-und Erzieherbildung“ müssen in eine BHS oder in ein ORG umgewandelt werden.

7.      Das Bundesgesetz, in dem die Anstellungserfordernisse geregelt sind, muss geändert werden. Mittelfristig anzustreben ist, dass gruppenführende PädagogInnen im Kindergarten tertiär ausgebildet sein müssen.

8.      Die Qualität in elementaren Bildungseinrichtungen muss entsprechend internationalen Empfehlungen in einem BundesRahmengesetz definiert werden.

9.      Die finanziellen Mittel zur Umsetzung der notwendigen Qualitätssicherung müssen vom Bund zur Verfügung gestellt werden.

Schlussbemerkung:

Derzeit ist der Kindergarten „Betreuungseinrichtung mit trägerspezifisch definierten pädagogischen Ambitionen“.

Solange KindergartenpädagogInnen unter den derzeit in jedem Bundesland unterschiedlichen, aber durchgehend unzureichenden Rahmenbedingungen  (zu große Gruppen, zu wenig Personal, zu wenig Vor-und Nachbereitungszeit, unzureichende Ausbildung, zu wenig Unterstützungspersonal für Kinder mit besonderen Bedürfnissen…) arbeiten, bleibt der Kindergarten „Betreuungseinrichtung mit trägerspezifisch definierten pädagogischen Ambitionen“.

Solange der Kindergarten als „Zubringer-Einrichtung“ für die Schule gesehen wird, werden SchulpädagogInnen definieren, was ein Kind im Kindergarten „gelernt“ haben soll, bevor es in die Schule kommt.

Elementarpädagogische Bildungstheorien, in denen längst nachgewiesen wird, dass es unsinnig ist, Kinder in ihrem Lernverhalten in Altersgruppen einzuteilen, werden weiterhin ignoriert werden und Forderungen nach einem 2. Verpflichtenden Kindergartenjahr werden weiterhin vermitteln, dass ab einem bestimmten Alter „der Ernst des Lebens“ beginnt. Kinder beginnen jedoch nicht erst mit 4 oder 5 Jahren zu lernen, sondern vom ersten Tag ihrer Existenz an.

Die Politik ist aufgefordert, zu handeln.

Wenn die Politik bundesweit die rechtlichen, personellen und organisatorischen Rahmenbedingungen  für die elementaren Bildungseinrichtungen schaffen würde, wären wir dem Ziel näher, jedem Kind einen guten Start in die Schule zu ermöglichen.


Wir setzen große Hoffnung in Sie als Mitglied der Bildungskommission dass Sie -  und in weiterer Folge Parlament, Bundesrat und Landtage - die „Gunst der Stunde“ nutzen und die Zukunft unseres Landes durch umfassende Reformen unseres Bildungssystems sichern: Bildung beginnt im Kindergarten und zwar vom Anfang an.

Ergeht an:
·         Herrn Dr. Wilfried Haslauer, Landeshauptmann von Salzburg, haslauer@salzburg.gv.at 
·         ÖKr Dr. Michael Häupl, Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, michael.haeupl@wien.gv.at
·         Frau Gabriele Heinisch-Hosek, Bundesministerin für Bildung und Frauen, gabriele.heinisch-hosek@bmbf.gv.at
·         Herrn Dr. Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten, peter.kaiser@ktn.gv.at
·         Herrn Dr. Harald Mahrer, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, harald.mahrer@bmwfw.gv.at
·         Frau Mag.a Johanna Mikl-Leitner, Bundesministerin für Inneres, johanna.mikl-leitner@bmi.gv.at
·         Herrn Dr. Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und öffentlichen Dienst, josef.ostermayer@bka.gv.at 
·         Herrn Günther Platter, Landeshauptmann von Tirol, buero.landeshauptmann@tirol.gv.at

Zur Information auch an die Mitglieder des parl. Unterrichtsausschusses:
·         Obmann Dr. Walter Rosenkranz
·         Obmannstellvertreter Dr. Harald Walser,
·         Obmannstellvertreterin Brigitte Jank
·         Obmannstellvertreterin Dr.in Elisabeth Großmann
·         Andrea Gessl-Ranftl
·         Marianne Gusenbauer-Jäger
·         Daniela Holzinger-Vogtenhuber, BA 
·         Mag.a  Kuntzl Andrea
·         Elmar Mayer
·         Erwin Preiner
·         Asdin El Habbassi, BA 
·         Herrmann Gahr
·         Eva-Maria Himmelbauer, BSc 
·         Ing. Manfred Hofinger Manfred
·         Dr. Franz-Joseph Huainigg Franz-Joseph
·         Dr. Karlheinz Töchterle Karlheinz
·         Mag. Gerald Hauser Gerald
·         Anneliese Kitzmüller
·         Wendelin Mölzer
·         Peter Wurm
·         Mag.a Helene Jarmer
·         Julian Schmid Julian
·         Mag. Dr. Matthias Strolz Matthias
·         Ing. Robert Lugar

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