Elementarpädagogische Vorschläge an den Bildungsausschuss
Sehr geehrte Damen und Herren des Bildungsausschusses der Österreichischen
Bundesregierung!
Die Arbeitsgruppe der Bundesregierung zur Bildungsreform tagte am 22.
Jänner 2015 zum ersten Mal. Die Plattform EduCare hat für diese Tagung
das tieferstehende Schreiben an die damaligen Mitglieder der Arbeitsgruppe
gesandt, das wir uns – in Ihrer geänderten Zusammensetzung – neuerlich zur
Kenntnis zu bringen erlauben.
Wir hoffen sehr, dass bei der Präsentation der ersten Ergebnisse am 17.
November 2015 auch die Forderungen der organisierten elementarpädagogischen
Community mit einfließen.
Seit Jahren erleben wir, dass der elementare Bildungsbereich zwar in
diversen Reden und auch in Positionspapieren von allen Parteien als erste und
damit äußerst wichtige Bildungseinrichtung dargestellt wird, aber die
notwendigen Reformen, um den Kindergarten tatsächlich als gleichwertige
Bildungseinrichtung zu etablieren, bisher lediglich in Teilbereichen
erfolgt sind.
Mit diesem Schreiben möchten wir Ihnen die Positionen der organisierten
elementarpädagogischen Community in Erinnerung rufen:
Ø Wir begrüßen, dass die
Regierung in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen hat,
zusätzliche Plätze zu schaffen – vor allem für die Unter-Dreijährigen.
Wesentliche Voraussetzung dafür, dass jedes Kind die Chance bekommt,
elementare Bildungsangebote in Anspruch nehmen zu können, ist eine ausreichende
Anzahl von qualitativ hochwertigen Kindergartenplätzen. Die Qualität muss entsprechend internationalen Empfehlungen
im Kontext
·
Betreuungschlüssel,
·
Gruppengrößen,
·
pädagogischen Konzepten,
sowie der
·
Aus- und Weiterbildung von
PädagogInnen und Zusatzkräften definiert
werden.
Besonderes Augenmerk ist dabei auf die
·
speziellen Bedürfnisse von
Kindern mit diagnostiziertem erhöhtem Förderbedarf zu richten. Die
erforderlichen Rahmenbedingungen müssen in Zusammenarbeit mit einem
ExpertInnenteam (z.B. InklusionsberaterInnen) eingerichtet werden
und individuell angepasste Unterstützungsmaßnahmen sind für jedes Kind –
je nach individuellem Bedarf – bereitzustellen. Der Einsatz von speziell
ausgebildeten ElementarpädagogInnen muss gesichert sein.
Für wenig privilegierte Familien soll der
·
kostenfreie Besuch in allen elementaren Bildungseinrichtungen (0-6 Jahren)
in Aussicht gestellt werden, um kompensatorische Bildungsarbeit leisten zu
können.
·
Mittelfristig anzustreben ist das „Recht auf einen Kindergartenplatz“.
Ø
Die Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres war ein wichtiger
Schritt, weil der Kindergarten damit deutlicher als vorher als
Bildungseinrichtung wahrgenommen wird.
Wir sehen allerdings die Gefahr, dass die Politik mit diesem Schritt zwar
bereit war, das letzte Kindergartenjahr als Bildungsjahr anzuerkennen – dass
die Zeit, die ein Kind davor im Kindergarten verbringt, jedoch weiterhin als
Betreuungszeit gesehen wird.
Ø
Durch die Einführung des bundesweit verpflichtenden BildungsRahmenPlanes
für elementare Bildungseinrichtungen hat das Bildungsministerium begonnen, sich
„halbherzig“ für den elementaren Bildungsbereich zuständig zu fühlen.
Die Umsetzung bleibt den Bundesländern bzw. den Kindergarten-Erhaltern
überlassen und oftmals scheitert diese an den unzureichenden organisatorischen
Rahmenbedingungen, fehlenden gesetzlichen Grundlagen und an der nicht adäquaten
Aus-, Fort- und Weiterbildung der PädagogInnen.
Ø
Die Einführung der verpflichtenden Sprachstandsfeststellung und
Sprachförderung im Kindergarten könnten als weitere Signale der Aufwertung des
elementaren Bildungsbereiches gesehen werden.
Auch das können wir nicht ganz so sehen: dadurch, dass seitens der Politik
immer wieder gefordert wird, dass im Kindergarten vor allem Sprachförderung für
Kinder mit einer anderen Muttersprache durchgeführt werden soll, wird der
Kindergarten zu einer „Zubringer-Einrichtung“ für die Schule degradiert.
Zudem wird durch diese
Forderung der Eindruck vermittelt, dass das „Erlernen“ der deutschen Sprache in
einem Jahr Erfolgsgarantie für einen geglückten Schulstart ist.
Elementarpädagogische Bildungstheorien gehen hingegen davon aus, dass der
Erwerb einer Zweitsprache in der Frühen Kindheit nicht losgelöst vom Alltag
stattfinden sollte und im Alter von 2- 4 Jahren am leichtesten fällt.
Abgesehen
davon entspricht diese Reduktion auf die Sprache nicht der Intention
des bundesweit gültigen „BildungsRahmenPlanes für elementare
Bildungseinrichtungen“, indem die Sprachförderung lediglich ein Teilbereich von
insgesamt 6 Bildungsbereichen ist.
Unsere Forderungen an die Politik kurz zusammengefasst:
1. Der Kindergarten ist eine
elementare Bildungseinrichtung für alle Kinder von 0-6 Jahren und muss als
eigenständige und gleichwertige Bildungseinrichtung im Kanon aller
Bildungseinrichtungen etabliert werden.
2. Kindergarten-/ElementarpädagogInnen sind ExpertInnen für diese Altersgruppe und müssen wie
in allen anderen europäischen Staaten auf tertiärem Niveau ausgebildet werden.
3. Die Pädagogischen Hochschulen
oder andere tertiäre Einrichtungen müssen den Auftrag bekommen, grundständige
Bachelor-Ausbildungen für Elementarpädagogik anzubieten. Die finanziellen
Mittel dafür müssen vom Bund zur Verfügung gestellt werden. Es reicht nicht
aus, dass die Elementarpädagogik zukünftig als Schwerpunkt in der Ausbildung
von Primarschullehrkräften gewählt werden darf.
4. Als Übergangslösung wäre
vorstellbar, dass im ersten Schritt die im Beruf stehenden
LeiterInnen berufsbegleitend ein Bachelor-Studium absolvieren müssen.
Parallel dazu sollten die BAKIP-Kollegs und die Ausbildung zur
SonderkindergartenpädagogIn schrittweise in die tertiären Einrichtungen
eingegliedert werden.
5. Lehrkräfte für den
Didaktik/Praxis-Unterricht an der BAKIP müssen akademisch ausgebildet werden.
6. Die BAKIP, bisher „Anstalt der
Lehrer-und Erzieherbildung“ müssen in eine BHS oder in ein ORG umgewandelt
werden.
7. Das Bundesgesetz, in dem die
Anstellungserfordernisse geregelt sind, muss geändert werden. Mittelfristig
anzustreben ist, dass gruppenführende
PädagogInnen im Kindergarten tertiär ausgebildet sein müssen.
8. Die Qualität in elementaren
Bildungseinrichtungen muss entsprechend internationalen Empfehlungen in einem
BundesRahmengesetz definiert werden.
9. Die finanziellen Mittel zur
Umsetzung der notwendigen Qualitätssicherung müssen vom Bund zur Verfügung
gestellt werden.
Schlussbemerkung:
Derzeit ist der Kindergarten „Betreuungseinrichtung mit trägerspezifisch
definierten pädagogischen Ambitionen“.
Solange KindergartenpädagogInnen unter den derzeit in jedem Bundesland
unterschiedlichen, aber durchgehend unzureichenden Rahmenbedingungen (zu
große Gruppen, zu wenig Personal, zu wenig Vor-und Nachbereitungszeit,
unzureichende Ausbildung, zu wenig Unterstützungspersonal für Kinder mit
besonderen Bedürfnissen…) arbeiten, bleibt der Kindergarten
„Betreuungseinrichtung mit trägerspezifisch definierten pädagogischen
Ambitionen“.
Solange der Kindergarten als „Zubringer-Einrichtung“ für die Schule gesehen
wird, werden SchulpädagogInnen definieren, was ein Kind im Kindergarten
„gelernt“ haben soll, bevor es in die Schule kommt.
Elementarpädagogische Bildungstheorien, in denen längst nachgewiesen wird,
dass es unsinnig ist, Kinder in ihrem Lernverhalten in Altersgruppen
einzuteilen, werden weiterhin ignoriert werden und Forderungen nach einem 2.
Verpflichtenden Kindergartenjahr werden weiterhin vermitteln, dass ab einem
bestimmten Alter „der Ernst des Lebens“ beginnt. Kinder beginnen jedoch nicht
erst mit 4 oder 5 Jahren zu lernen, sondern vom ersten Tag ihrer Existenz an.
Die Politik ist aufgefordert, zu handeln.
Wenn die Politik bundesweit die rechtlichen, personellen und
organisatorischen Rahmenbedingungen für die elementaren
Bildungseinrichtungen schaffen würde, wären wir dem Ziel näher, jedem Kind
einen guten Start in die Schule zu ermöglichen.
Wir setzen große Hoffnung in Sie als Mitglied der Bildungskommission dass
Sie - und in weiterer Folge Parlament, Bundesrat und Landtage - die
„Gunst der Stunde“ nutzen und die Zukunft unseres Landes durch umfassende
Reformen unseres Bildungssystems sichern: Bildung beginnt im Kindergarten
und zwar vom Anfang an.
Ergeht an:
·
Herrn Dr. Wilfried Haslauer, Landeshauptmann von Salzburg, haslauer@salzburg.gv.at
·
ÖKr Dr. Michael Häupl, Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien, michael.haeupl@wien.gv.at
·
Frau Gabriele Heinisch-Hosek, Bundesministerin für Bildung und
Frauen, gabriele.heinisch-hosek@bmbf.gv.at
·
Herrn Dr. Peter Kaiser, Landeshauptmann von Kärnten, peter.kaiser@ktn.gv.at
·
Herrn Dr. Harald Mahrer, Staatssekretär im Bundesministerium für
Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung, harald.mahrer@bmwfw.gv.at
·
Frau Mag.a Johanna Mikl-Leitner, Bundesministerin für
Inneres, johanna.mikl-leitner@bmi.gv.at
·
Herrn Dr. Josef Ostermayer, Bundesminister für Kunst und Kultur,
Verfassung und öffentlichen Dienst, josef.ostermayer@bka.gv.at
·
Herrn Günther Platter, Landeshauptmann von Tirol, buero.landeshauptmann@tirol.gv.at
Zur Information auch an die Mitglieder des parl. Unterrichtsausschusses:
·
Obmann Dr. Walter
Rosenkranz
·
Obmannstellvertreter
Dr. Harald Walser,
·
Obmannstellvertreterin
Brigitte Jank
·
Obmannstellvertreterin
Dr.in Elisabeth Großmann
·
Andrea
Gessl-Ranftl
·
Marianne
Gusenbauer-Jäger
·
Daniela
Holzinger-Vogtenhuber, BA
·
Mag.a
Kuntzl Andrea
·
Elmar Mayer
·
Erwin Preiner
·
Asdin El
Habbassi, BA
·
Herrmann Gahr
·
Eva-Maria
Himmelbauer, BSc
·
Ing. Manfred
Hofinger Manfred
·
Dr. Franz-Joseph
Huainigg Franz-Joseph
·
Dr. Karlheinz
Töchterle Karlheinz
·
Mag. Gerald
Hauser Gerald
·
Anneliese
Kitzmüller
·
Wendelin Mölzer
·
Peter Wurm
·
Mag.a Helene
Jarmer
·
Julian Schmid
Julian
·
Mag. Dr. Matthias
Strolz Matthias
·
Ing. Robert Lugar

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